Atomkraftwerk Tihange

 

Ratsmehrheit stimmt Resolution der Grünen zu

Eschweiler. Der Stadtrat hat in seiner jüngsten Sitzung einer von den Grünen eingebrachten Resolution zugestimmt, in der die belgische Regierung gebeten wird, das Atomkraftwerk Tihange abzuschalten. Doch nicht alle Ratsmitglieder unterstützen diese Bitte. Insbesondere die FDP verweigerte sich mit einer Argumentation, die von der örtlichen Presse zu Recht als „liberaler Eiertanz“ verspottet wird.

 

„Die Stadt Eschweiler bittet die belgische Regierung mit Nachdruck, das über 26 Jahre alte Atomkraftwerk Tihange schnellstmöglich abzuschalten. Auf keinen Fall darf es, wie 2009 angekündigt, eine Verlängerung der Laufzeiten um zehn Jahre geben.“

So lautet der Kerntext unserer Resolution. Im Stadtrat stimmten ihr neben den drei Grünen auch die SPD-Fraktion sowie Albert Borchardt als Einzelvertreter der Linken zu. Hinzugefügt wurde auf Anregung der Sozialdemokraten ein Passus, wonach auch die deutsche Bundesregierung gebeten werden soll, sich bei den belgischen Kollegen für die Abschaltung des AKW Tihange einzusetzen.

In der Begründung wird mit Blick auf die Fukushima-Katastrophe unter anderem auf das Erdbeben-Risiko hingewiesen. Nach Untersuchungen der Atomaufsicht halten die drei 26, 29 und 36 Jahre alten und bereits von Störfällen heimgesuchten Tihange-Reaktorblöcke lediglich einem Beben von 5,9 auf der Richterskala stand. Und Beben dieser Stärke sind in unserer Region keineswegs als winziges Restrisiko einzustufen. Vielmehr hat es 1992 in Roermond – nur 90 Kilometer von Tihange entfernt – tatsächlich schon einmal eine solche Erschütterung gegegen. Im Übrigen liegt kein deutsches Atomkraftwerk so nah an Eschweiler wie das AKW Tihange.

Umso erstaunlicher, dass FDP, CDU und UWG der Resolution dennoch nicht zugestimmt haben. Die Wortführer der Verweigerer waren die Liberalen. Deren Sprecher Ulrich Göbbels führt in einem offenen Brief an Bürgermeister Rudi Bertram weitschweifig aus, dass die im Resolutionstext verwendeten Ausdrücke „mit Nachdruck“ und „auf keinen Fall“ viel zu hart klängen und aus seiner Sicht einen ganz schlimmen Verstoß gegen die diplomatische Etikette darstellten. Die Formulierung „mit Nachdruck“, so belehrt uns Göbbels, „wird im internationalen Gebrauch genutzt, wenn Kriegsgefahr oder unmittelbare Gefahr für Bürger oder Minderheiten besteht.“ Wer „mit Nachdruck“ um etwas gebeten werde, der könnte womöglich „etwas irritiert reagieren“, befürchtet der auf internationalem Parkett offenbar sehr bewanderte Indestadt-Liberale, um dann eine „goldene Regel der Diplomatie“ hervorzuzaubern, die da laute: In der Sache hart, in der Wortwahl moderat. „Diese Regel wird hier grob missachtet“, so Göbbels.

Die Hand gegen die Resolution zu erheben, trauten sich die Liberalen letztendlich aber doch nicht. Diplomatisch wie sie sind, entschieden sie und auch CDU und UWG sich lieber dafür, gar nicht erst an der Abstimmung teilzunehmen.

Dieses Verhalten ist übrigens nicht nur bei uns Grünen, sondern auch in der Lokalpresse ganz schlecht angekommen. „Die FDP schafft eher sich selbst als Tihange ab“, heißt es in einem Kommentar unter der Überschrift „Liberaler Eiertanz“ (Eschweiler Zeitung/Eschweiler Nachrichten vom 29. September 2011). „Geradezu fahrlässig kleinkariert“ seien die liberalen Gedankengänge, schreibt Redaktionsleiter Rudolf Müller: „Wenn man mit seinem direkten Nachbarn nicht offen reden kann, ist es mit guter Nachbarschaft nicht weit her. Und wenn’s ums Überleben einer ganzen Region geht, darf – ja muss man auch als kleiner Partner Sofortmaßnahmen mit Nachdruck fordern und sich nicht nach diplomatischer Etikette mit der Rolle eines devoten Bittstellers begnügen.“

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