Kurz vor der Wahl: Grünes Spitzen-Duo spricht nochmals Klartext

Die Spannung steigt: Wenige Tage vor der Wahl äußern sich Bürgermeisterinnen-Kandidatin Gaby Pieta und Dietmar Widell als Nummer eins der grünen Liste über eigene Ziele und politische Gegner.

Frau Pieta, Herr Widell, weshalb sollten am Sonntag viele Eschweiler Menschen grün wählen?
GABY PIETA: Weil wir die einzige Partei sind, bei der das große Thema „Klimagerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Ökologie“ ganz oben steht. Wir begreifen den Klimawandel als die größte Herausforderung der nächsten Jahrzehnte. Damit unsere Enkel noch gut leben können, müssen wir in vielen Lebensbereichen – Energie, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft, Wohnen und Arbeiten – klimagerechtere Konzepte entwickeln und zügig umsetzen.
DIETMAR WIDELL: Entscheidend ist dabei entschlossenes Handeln auf lokaler Ebene. Klimaschutz fängt vor der Haustür an. Das haben vor allem die Verwaltungsspitze und die SPD-Ratsmehrheit, aber auch die anderen nicht-grünen Fraktionen noch nicht wirklich verstanden.

Aber Eschweiler ist doch als nachhaltige Kommune ausgezeichnet worden. Da sollte die Stadt doch auf einem guten Weg sein?!
PIETA: Das sollte man meinen. Aber die meisten Wertungspunkte für diesen Titel man durch das eifrige Schmieden von Konzepten für irgendwann später gesammelt, und Papier ist geduldig. Bei der konkreten Umsetzung geht es viel zu zögerlich voran. Auf dem Weg zur fahrradfreundlichen Stadt etwa sind seit Jahren kaum Fortschritte erzielt worden.
WIDELL: Ein weiteres Beispiel: Vor ein paar Jahren hatten wir die Chance, bei Neu-Lohn den ersten Eschweiler Bürgerwindpark zu errichten. Da hätten viele Privatleute bei einem Genossenschaftsmodell mitmachen können. Doch ausgerechnet die dafür vorgesehene Fläche hat die jetzige Mehrheit trickreich aus der Planung genommen. Der Rest ging komplett an RWE.

Immerhin hat man Projekte wie die Faktor X-Siedlung „Neue Höfe“ auf den Weg gebracht...
WIDELL: Was nützen Vorzeige-Projekte, wenn man im Tagesgeschäft in alten Mustern verharrt? Das Neubaugebiet am Patternhof ist wieder eher konventionell geplant. Wir hingegen plädieren beispielsweise dafür, dass Solarnutzung in neuen Wohngebieten so selbstverständlich sein sollte wie der Kanalanschluss. Manchmal ist weniger mehr: Statt trotz problematischer Erschließung eine weitere Reihenhaus-Siedlung auf den alten Nothberger Sportplatz zu quetschen, hätten wir Grüne der Natur an dieser Stelle gern auch mal etwas zurückgegeben.
PIETA: Manchmal wird es absurd: Da will man sich von Ten Brinke einen beengten Kindergarten zwischen die Discounter im neuen Rathaus-Quartier setzen lassen. Derweil wird 400 Meter entfernt am Patternhof ein großes Wohngebiet für junge Familien geplant – ohne Kita, obwohl es dort viel Platz in ruhiger Lage gibt.

In Eschweiler lässt die neue Wählergruppe „Basis“ aufhorchen. Was halten Sie davon?
PIETA: Die Gruppe verkauft sich clever. Inhaltlich hat sie aus grüner Sicht nicht viel zu bieten. Eine Gruppe, in deren gesamten Programm Begriffe wie Klimagerechtigkeit, Ökologie und Umweltschutz nicht ein einziges Mal vorkommen, geschweige denn mit Leben erfüllt werden, ist für Menschen mit grüner Grundeinstellung kaum wählbar. Vieles bei der „Basis“ ist einfach nur auf den schnellen Wahlerfolg ausgerichtet.
WIDELL: Über Flüchtlinge und Migrant*innen ist bei der „Basis“ nur im Kapitel „Sicherheit" etwas zu lesen. Da geht es aber nicht um Integration und gutes Miteinander, sondern vorwiegend um ausländische Straftäter, verwirkte Aufenthaltrechte, Sozialbetrug und schnellere Abschiebungen. Und wenn ein führender „Basis“-Mann auf Facebook wörtlich schreibt, dass die „politische Uhr der selbsternannten Moralprediger, verblendeten Ideologen und frustierten alten Männer, die der Basis immer wieder Knüppel zwischen die Beine werfen, zum Glück von Eschweiler bald abgelaufen“ sei, dann klingt das nicht gerade achtsam und sensibel, sondern eher nach rechter Kampfrhetorik. Manche sind offenbar nicht so nett, liberal und menschenfreundlich, wie sie sich nach außen geben.

Und was halten die Grünen von den neuen Ideen der „Basis“ zum Rathaus-Quartier?
WIDELL: Mit seinen schönen, aber leider realitätsfernen Bürgerpark-Skizzen kann sich Christoph Häfner gern als Bürgermeister bewerben – im Phantasialand. Aber im Ernst: Mit solchen Hirngespinsten aus Wolkenkuckucksheim Stimmenfang zu betreiben, ohne fundiert auf die Eigentumsverhältnisse, bindende Verträge, den aktuellen Planungsstand und die Finanzierung einzugehen, ist ziemlich dreist. Wir Grünen haben die nicht in eine moderne Innenstadt passende Ten Brinke-Planung von Anfang an scharf kritisiert. Aber wir müssen sehen, dass die Verwaltung und die SPD-Mehrheit dem Investor gegen unseren Willen buchstäblich den roten Teppich ausgerollt haben. Diesen Teppich wieder einzurollen, ist leider nicht so einfach, wie Herr Häfner sich das vorstellt. Auch müsste er mal sagen, wer seinen Bürgerpark denn bezahlen soll.

Was erhoffen sich die Grünen von den Wahlen am Sonntag?
PIETA: Wir sind der Überzeugung, dass Eschweiler mehr Grün braucht, und hoffen auf ein stärkeres grünes Team im neuen Rat. Es war vielleicht nicht alles schlecht in der Ära der absoluten SPD-Mehrheit in Verbindung mit einer tiefroten Stadtverwaltung. Aber jetzt wird es höchste Zeit für neue grüne Akzente. Im neuen Rat hoffen wir auf ein konstruktives Zusammenwirken von Grün, Rot, Schwarz, Gelb und Orange zum Wohle der Stadt. In einem Punkt sind wir uns ja jetzt schon alle einig: Eine bestimmte weitere Farbe braucht Eschweiler nicht.

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