Rathaus-Quartier: Fachbehörde befürchtet große Verkehrsprobleme

Bei der Akteneinsicht in die Baupläne stießen die Grünen auf eine Besorgnis erregende Stellungnahme von Straßen.NRW.

„Unsere Befürchtungen haben sich allesamt bestätigt und sind teilweise sogar noch übertroffen worden. Wir haben jetzt schwarz auf weiß, dass das geplante Einkaufszentrum am Rathaus nach Einschätzung unabhängiger Fachleute für ganz erhebliche Verkehrsprobleme sorgen könnte. Diese Einschätzung steht in krassem Widerspruch zu der bisherigen verharmlosenden Darstellung der Verwaltungsspitze.“ So fasst Grünen-Fraktionssprecher Dietmar Widell neue Erkenntnisse zusammen, die er in der vergangenen Woche bei der Einsicht in die Planungsakten für das so genannte „Rathaus-Quartier“ gewonnen hat.

Bei der Sichtung der Unterlagen stießen Widell und sein Fraktionskollege Franz-Dieter Pieta auf eine von der Verwaltung bislang unter Verschluss gehaltene Stellungnahme des Landesbetriebs Straßenbau NRW von Anfang Mai. Darin ist von erheblichen Bedenken der Behörde gegen die Durchführung der Baumaßnahme die Rede. Kritisiert wird insbesondere das vom Investor Ten Brinke vorgelegte Verkehrsgutachten.

In diesem Gutachten seien die Nutzungsarten im Rathaus-Quartier teilweise nicht korrekt dargestellt. Es gehe zudem von einer sehr günstigen Prognose des zukünftigen Verkehrsaufkommens aus und setze vor allem die Besucherverkehre zu den geplanten Praxen wohl zu niedrig an. Insgesamt werde von einem „wahrscheinlich zu geringen Verkehrsaufkommen“ ausgegangen. Auch fehlten Nachweise über die verkehrstechnische Leistungsfähigkeit von Knotenpunkten sowie Zu- und Abfahrten. Nicht hinreichend berücksichtigt würden die geringen Abstände zwischen den geplanten Parkplatzzufahrten am Rathaus und den Ampel-Einmündungen Indestraße/Wollenweberstraße und Indestraße/Peilsgasse/Bergrather Straße. Hier seien Behinderungen zu erwarten.

Die von der Stadt und dem Investor zur Erleichterung der Zu- und Abfahrten vorgesehenen Änderungen von Ampelphasen könnten den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit der Indestraße in nicht hinnehmbarem Umfang einschränken. „Es kommt noch eine ganze Reihe weiterer Kritikpunkte hinzu. Kurzum: Das Verkehrsgutachten, das wir Politiker bei der Entscheidung über die Befreiungen vom Bebauungsplan nur vom Hörensagen kannten, wird von Straßen.NRW nun förmlich in der Luft zerrissen“, sagt Widell.

Aus seiner Sicht das Schlimmste von allem: Der von den Grünen seit langem geforderte und inzwischen offiziell als übergeordnetes städtebauliches Ziel betrachtete Rückbau von Fahrspuren auf der Indestraße im Innenstadtbereich werde durch die Rathaus-Quartier-Planung in ihrer jetzigen Form stark in Frage gestellt. „Die vorgelegten Nachweise der Verkehrsuntersuchung zur Fahrstreifenreduzierung basieren auf Annahmen des Gutachters, die nicht nachvollzogen werden können. Daher ist bis auf Weiteres von einer Fahrstreifenreduzierung abzusehen“, zitieren die Grünen aus der Stellungnahme von Straßen.NRW.

Und was macht angesichts dieser neuen Erkenntnisse nun der in der Stadtverwaltung beim Rathaus-Quartier federführende Technische Beigeordnete Hermann Gödde? Statt die Öffentlichkeit und die politischen Gremien (etwa in der jüngsten Planungsausschusssitzung am 23. Mai) im Sinne der versprochenen Transparenz von sich aus über die gravierenden verkehrsplanerischen Bedenken der übergeordneten Behörde zu informieren, wurde Gödde nach Informationen der Grünen Anfang Mai bei der zuständigen Niederlassungsleitung von Straßen.NRW vorstellig, um sich über die negative Stellungnahme zu beschweren.

Erreicht hat er laut den Grünen mit seiner Intervention, dass die Behörde ihr Schreiben vorerst zwar nicht weiter als negative Stellungnahme verstanden wissen will. Sie pocht aber darauf, dass ihre Einwände im weiteren Planungs- und Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden. Widell: „Die Verkehrsprobleme werden damit unter den Teppich gekehrt und auf die lange Bank geschoben. Angesichts der vielen Kritikpunkte sind wir nun sehr gespannt darauf, wie die Stadt und der Investor noch für ein taugliches Verkehrskonzept sorgen wollen. Die bisherige Darstellung, dass das Einkaufszentrum ohne große Probleme verkehrstechnisch angebunden werden könne und dass es auch den Rückbau der Indestraße nicht gefährde, ist so jedenfalls nicht länger haltbar. Es wäre unverantwortlich, mitten in der Stadt sehenden Auges einen neuen Verkehrsbrennpunkt zu erzeugen.“

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