Sogenanntes "Rathaus-Quartier": Mehrheit stimmt gegen neuen Bebauungsplan

Die Entscheidung ist gefallen: Der Stadtrat hat den Antrag der „Basis“-Fraktion, einen neuen Bebauungsplan für das Gelände am Rathaus aufzustellen, in seiner Sitzung am Donnerstag (10. 12. 2020) mehrheitlich abgelehnt. Die Grünen hatte schon lange vor der „Basis“ eine bessere Planung gefordert – leider ebenfalls vergeblich.

Damit alle Ratsmitglieder frei bestem Wissen und Gewissen entscheiden können, regte Grünen-Fraktionssprecher Dietmar Widell eine geheime Abstimmung über die entscheidenden Punkte des „Basis“-Antrags an. So kam es dann auch. Nach stundenlanger, teils hitziger Diskussion votierten dennoch nur 22 Ratsmitglieder für einen neuen Bebauungsplan. Ihn hatten in der vorangegangenen Aussprache neben den Grünen und der „Basis“ auch die CDU und die AfD befürwortet.

"Alle Argumente sind ausgetauscht"
SPD, FDP, Linken-Vertreter Albert Borchardt und die ebenfalls stimmberechtigte Bürgermeisterin Nadine Leonhardt votierten in der Diskussion hingegen aus unterschiedlichen Gründen dafür, bei der umstrittenen Planung des Investorenkonzerns Ten Brinke zu bleiben. Dem schlossen sich am Ende 28 Ratsmitglieder an. Wirkung hinterließen dabei offenbar auch kurz vor der Sitzung geäußerte Ankündigungen des Investors und der Grundstückseigentümer Schumacher/Pieroth. Sie stellten Schadenersatz-Forderungen in Millionenhöhe in Aussicht, falls ihr in gutem Glauben geplantes Vorhaben durch einen neuen B-Plan im letzten Moment verhindert werde.
„Auch wenn wir es uns anders gewünscht hätten: Diese demokratische Mehrheitsentscheidung gilt es zu respektieren. Die Sache nochmals zu vertagen, hätte keinen Sinn gemacht. Alle Argumente sind ausgetauscht; irgendwann muss man auch mal zu Potte kommen“, erklärt Dietmar Widell.

Städtebauliches Armutszeugnis
Das ändert nichts daran, dass die Grünen die vorliegende Planung nach wie vor für ein städtebauliches und stadtplanerisches Armutszeugnis halten. Im Herzen der Innenstadt ein vorwiegend von Discountern geprägtes, architektonisch anspruchsloses, als Kfz-Magnet wirkendes, der restlichen Innenstadt eher schadendes als nutzendes Einkaufszentrum mit 300 Autoparkplätzen, aber ohne jegliche Aufenthaltsqualität anzusiedeln, ist und bleibt ein Ansatz von vorgestern. Hier wurde nach Auffassung der Grünen die große Chance vertan, ein modernes, nachhaltiges, urbanes Quartier mit angemessen aufgeteiltem Raum für Handel, Handwerk, Wohnen, Kultur und soziale Begegnung zu schaffen.
Ein Kardinalfehler war wohl, dass die Verwaltungsspitze und die alte Ratsmehrheit alle Bedenken auch von Bürger*innenseite stets beiseitegeschoben und den Investoren in allen Planungsphasen jahrelang den roten Teppich ausgerollt haben – sei es bei der Erteilung von Befreiungen von Bebauungsplanvorschriften, beim Grunderwerb oder auch beim sehr frühzeitigen Abschluss eines Mietvertrages, mit dem sich die Stadt im Ten-Brinke-Komplex bereits Räume für die Volkshochschule gesichert und sich damit eng an den Investor gebunden hat. So wurden nach und nach immer mehr planerische und rechtliche Fakten geschaffen – all dies stets gegen die warnenden Stimmen der Grünen.

"Das Bestmögliche herausholen"
Wie geht es nun weiter mit dem sogenannten „Rathaus-Quartier“, das inzwischen selbst in einem Schreiben der Ten Brinke-Anwälte treffender als „Einkaufszentrum am Rathaus“ bezeichnet wird? Nach Auskunft des zuständigen städtischen Beigeordneten Hermann Gödde liegt der Bauantrag von Ten Brinke der Stadt und der Städteregion inzwischen komplett zur Prüfung vor. Es ist wohl davon auszugehen, dass in Kürze eine Baugenehmigung erteilt wird, sofern die übergeordneten Behörden keine gravierenden Bedenken geltend machen.
Die Möglichkeiten der politischen Einflussnahme sind damit weitgehend erschöpft. „Wir werden aber trotzdem weiterhin darauf drängen, das Bestmögliche aus den dürftigen Plänen herauszuholen. Das fängt schon damit an, dass der Investor seine mündliche Zusage einhalten muss, auf seinem geplanten Großparkplatz auch zunächst gar nicht vorgesehene Fahrradstellplätze zu schaffen“, betont Dietmar Widell, „klar ist auch, dass die Zu- und Abfahrten des Einkaufszentrums keinesfalls zu zusätzlichem Autoverkehr am Markt führen dürfen. Im Gegenteil: Die Grünen werden sich weiterhin für eine autofreie Marktstraße einsetzen.“

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